Tiertransporte
Was im Innern der Transporter geschieht
In der EU werden pro Jahr über 1,5 Milliarden lebende Tiere exportiert.
Im Zuge des internationalen Warenhandels werden nicht nur Konsumgüter und Rohstoffe durch die Europäische Union transportiert, sondern auch lebende Tiere. Da am Tierwohl gespart wird, sind selbst lange Tiertransporte zur Schlachtung im Ausland kostengünstiger als der Transport von Fleisch, wenn die Tiere in der Nähe geschlachtet würden. So passieren jährlich allein über 1,3 Milliarden Tiere eine europäische Landesgrenze. Für weitere über 200 Millionen Rinder, Schafe, Hühner und andere sogenannte Nutztiere liegen die Ziele sogar außerhalb der EU und teils tausende Kilometer entfernt. Die Strapazen für die Tiere während der Transporte sind immens.
Mit zunehmender Dauer geraten die Tiere immer mehr an ihre psychische und körperliche Belastungsgrenze, häufig sogar darüber hinaus. Ursache ist nicht allein ein Faktor – die Liste an Belastungen, Problemen und Missständen ist lang. Von Stress und Enge über extreme Temperaturen und mangelnde Versorgung bis hin zur gefährlichen Überfahrt auf maroden Frachtschiffen. Es ist höchste Zeit, hinzusehen, was im Innern der Transporter und Schiffe geschieht, in denen die Tiere regelmäßig an ihr Limit geraten. Es ist höchste Zeit, dieses millionenfache Leiden, das täglich für die Produktion von Fleisch zu billigsten Bedingungen in Kauf genommen wird, zu beenden.
Zehn Fakten über Tiertransporte
Jedes industriell gehaltene Tier wird mindestens einmal in seinem Leben transportiert.
Viele Tiere werden bereits als Jungtier, jedes aber spätestens auf dem Weg zum Schlachthof transportiert. Ursache ist die hohe Spezialisierung der industriellen Landwirtschaft mit teils weit auseinanderliegenden Betrieben. Ein sogenanntes Mastschwein wird dreimal in seinem Leben transportiert: vom Ferkelerzeugungsbetrieb zum Ferkelaufzuchtbetrieb, danach zu einem Mastbetrieb und schließlich zum Schlachthof.
Deutschland ist eine Tiertransportnation.
Pro Jahr werden deutschlandweit über 760 Millionen Tiere zu Schlachthöfen transportiert. Zudem exportierte Deutschland im Jahr 2019 über 300 Millionen Tiere ins europäische Ausland und importierte im selben Zeitraum über 170 Millionen Tiere aus anderen EU-Staaten.
Gegen nationale und europäische Schutzvorschriften wird häufig verstoßen.
Alleine in Deutschland wurden 2018 bei Kontrollen rund 6.000 Verstöße bei Tiertransporten festgestellt. Einer der häufigsten Verstöße ist der Transport von transportunfähigen Tieren. Die EU-Kommission stellte fest, dass die Preise für einen Schlachtbullen bei circa 1.500 Euro liegen, die Strafen für den Transport eines nicht transportfähigen Tieres hingegen bei nur 250 Euro. So besitzen die milden Strafen keinen abschreckenden Charakter, sondern bilden mitunter einen wirtschaftlichen Anreiz, verletzte Tiere trotz ihres Zustands zum Schlachthof zu transportieren.
Tiere sind auf Transporten teils tage- oder wochenlang unterwegs.
Für grenzüberschreitende Transporte existiert keine maximal zulässige Transportzeit. Stattdessen sind je nach Tierart spezielle Pausen und Ruhezeiten vorgeschrieben. So darf ein Schwein 24 Stunden am Stück transportiert werden. Werden die Tiere für 24 Stunden an einer Kontrollstelle entladen, dort gefüttert und getränkt, dürfen die Transportabschnitte wiederholt werden.
Nicht immer existieren auf Langstrecken auch adäquate Versorgungsstationen.
Seit langem bestehen berechtigte Zweifel an den Angaben der Transportunternehmen, ob die Tiere bei langen Transporten außerhalb der EU auch rechtskonform versorgt werden. So wurden 2019 bei einer offiziellen Bereisung schrottreife Wellblechhallen und ein Verwaltungsgebäude dort vorgefunden, wo sich Versorgungsstationen für die Tiere befinden sollten – auf einer der Hauptrouten für Tiertransporte aus der EU in Drittstaaten mit den Zielen Kasachstan, Usbekistan, Süd- und Ostrussland. Trotz gängiger Praxis sind solche Transporte rechtswidrig.
Tiertransporte werden nur fragmentarisch erfasst.
Es existiert keine übergreifende EU-Datenbank, die den gesamten Transport vom Stall bis zum letztlichen Verbleib jedes Tieres erfasst. Die rein fragmentarische Erfassung und die Praxis, die Tiere in Etappen von Sammelstelle zu Sammelstelle zu transportieren, machen eine Nachverfolgung faktisch unmöglich.
Auch Tiere aus Deutschland werden in Tierschutz-Hochrisikostaaten transportiert.
2021 importierte Spanien rund 22.400 Rinder aus Deutschland. Im selben Jahr exportierte Spanien über 183.000 Rinder in Drittstaaten. Die meisten der Tiere gingen nach Algerien, Libyen, Marokko, Saudi-Arabien und in den Libanon. So werden auch Tiere, die ursprünglich aus Deutschland stammen, auf dem Seeweg in Tierschutz-Hochrisikostaaten verbracht. In diesen aktuell 17 Staaten findet die Tötung der Tiere ohne Betäubung und mit besonderer Grausamkeit statt.
Bei Schiffstransporte existieren keinerlei Standards.
Schafe und Rinder werden von der EU in Drittländer über das Mittelmeer transportiert. Den Großteil der Tiertransportschiffe bilden umgebaute, häufig schrottreife Fähren und Frachter. Sie fahren in der Regel unter der Flagge eines Landes, mit der keine Schutzvorschriften für Tiere verbunden sind. Eine Überfahrt kann Wochen dauern; bei einem dokumentierten Transport war das Schiff sogar 70 Tage unterwegs. Die Überlebenden der ursprünglich 900 Kälber waren am Ziel so geschwächt, dass das Veterinäramt die Tötung anordnete.
Zuchttierexporte gleichen einem Etikettenschwindel.
Das offizielle Gros der deutschen Lebendtiertransporte in Drittländer bilden vermeintliche Zuchttiere. Doch ein Aufbau der Zuchtpopulation in den bereits jahrelang belieferten Drittstaaten ist nicht nachweisbar. Hierzu mangelt es bereits an den Voraussetzungen: Die Hochleistungsrassen benötigen spezielle Nahrung, die im Klima der Drittländer nicht wächst. Folgen einer alternativen Fütterung wären eine geringe Milchleistung, schlechte Fruchtbarkeit und hohe Todesraten. So landen auch diese Tiere in den Schlachthäusern der Zielländer, nachdem sie ihr Kalb geboren haben und abgemolken wurden.
Milchkälber sind unrentabel und werden häufig ins Ausland transportiert.
Damit eine Kuh Milch gibt, muss sie ein Kalb gebären. Dabei produziert die Milchwirtschaft einen Überschuss an Kälbern, für die der Markt keine Verwendung hat. Zur Mast eignen sich die Milchrassen nur bedingt, sodass männliche Kälber wirtschaftlich kaum etwas wert sind und häufig ins Ausland verkauft werden. Pro Jahr werden in der EU rund 1,4 Millionen Kälber grenzüberschreitend transportiert, rund 580.000 von ihnen sogar weite Strecken über acht Stunden. Obwohl keine Fahrzeuge existieren, deren Tränken sich für Milchaustauscher eignen, erfolgt der Transport von Kälbern bereits vor der Entwöhnung.
Tiertransporte: Ein Symptom des Systems
Ursache der großen Zahl an Lebendtiertransporten ist die fortschreitend hohe Spezialisierung in der industriellen Tierhaltung. Immer weiter liegen die Betriebe für Zucht, Mast und Schlachtung geografisch auseinander, zwischen denen die Tiere hin- und hergefahren werden. So wird ein Tier oft hunderte oder gar tausende Kilometer von seinem Geburtsort entfernt geschlachtet.
Lange Liste an Belastungsfaktoren
Probleme bei Tiertransporten (Beispiele):
- Lange Transportzeiten
- Überbelegung
- Ungenügende Ausbildung von Fahrern
- Nichtbeachtung der Ruhezeiten
- Unzureichende Versorgung
- Fehlerhafte Fahrtenbücher und unplausible Fahrtenplanungen
- Geringe Sanktionen bei Verstößen
- Ungenügende Nachverfolgbarkeit der Tiere während des Transports
- Verletzungen durch ungenügende Kopffreiheit
- Dehydrierung durch fehlende / ungeeignete Tränkanlagen
- Fehlende Belüftung / Klimatisierung
- Keine geeigneten Fahrzeuge für Versorgung nicht entwöhnter Tiere
Gefährliche Enge
EU-Vorgaben: Platz pro Tier

Küken
Die Fläche für ein Küken ist minimal größer als eine Streichholzschachtel.

Huhn
Das entspricht je nach Größe des Tieres der Fläche von zwei bis drei Postkarten.

Pute
Die Grundfläche enspricht etwa der Größe eines Geschirrtuchs.

Schaf und Ziege
Die vorgschriebene Fläche umfasst ungefähr die Größe eines Handtuchs.

Schwein
Die Fläche ist etwa so groß wie ein DIN-A1-Poster oder zwei Schulmalbögen.

Rind (Großrind)
Das entspricht ungefähr der Größe eines Fernsehers mit 55 bis 75 Zoll.
Neben der geringen zur Verfügung stehenden Fläche stellt die Höhe des Frachtraums ein Problem dar. So ist lediglich eine Deckenhöhe von anderthalb Metern für Rinder vorgeschrieben.
Dadurch können große Tiere ihren Rücken nicht durchbeugen und keinen Kot absetzen. Vögel und Küken werden in Kisten transportiert, die kaum Bewegungsfreiheit zulassen.
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Ungenügender Schutz
Florierender Handel auf Kosten des Tierwohls
Selbst gegen die geltenden Mindestregelungen stehen Verstöße an der Tagesordnung. Bei Kontrollen im Jahr 2018 wurden in Deutschland rund 6.000 Verstöße bei Tiertransporten festgestellt. Der häufigste Verstoß: der Transport von Tieren, die beispielsweise aufgrund von Verletzungen oder Krankheiten transportunfähig sind. Dass viele Länder der EU in solchen Fällen des Transports transportunfähiger Tiere nicht einmal abschreckende Sanktionen verhängen, darauf weist auch der Europäische Rechnungshof in einer Analyse vom April 2023 hin.
Unternehmen können demnach sogar deutlich längere Routen einplanen, um die Durchfahrt durch EU-Staaten mit strengerer Umsetzung der Vorschriften zu vermeiden.
Selbst über solch lange Strecken bleibt der Transport lebender Tiere – durch Einsparungen am Tierwohl – in der Regel günstiger als der von bereits geschlachteten Tieren oder Fleisch. So floriert der Im- und Export der lebendig transportierten Ware: Seit Inkrafttreten der europäischen Tiertransportverordnung im Jahr 2007 stieg die Anzahl der innerhalb der Europäischen Union transportierten Tiere sowie der exportierten Tiere in Nicht-EU-Staaten als auch die Dauer der Transporte.
Vergleicht man die Jahre 2008 und 2018, so hat sich die Summe der aus der EU exportierten Tiere in diesen zehn Jahren sogar fast verdreifacht, und die Anzahl an aus Deutschland exportierten Rindern stieg in diesem Zeitraum um mehr als ein Drittel.
Das Dauerproblem
Exporte in Drittstaaten
Zu den schlimmsten Tiertransporten gehören Langstreckentransporte in Drittländer außerhalb der EU. Zwar muss auch hier der Transporteur vorab die Versorgungsstationen für die Pausen auf der Strecke gegenüber der Behörde angeben. Jedoch sind diese, wie Überprüfungen zeigen, nicht immer existent oder geeignet. Außerdem sind Kontrollen außerhalb der EU nur äußerst schwer durchzuführen, sodass die Tiere nach dem Passieren der EU-Grenzen der Willkür ausgesetzt sind. Insbesondere bei den Schiffstransporten, die Wochen oder gar Monate dauern können. Zwar exportiert Deutschland offiziell nur wenige Schlachttiere in Nicht-EU-Staaten.
Dafür aber eine hohe Anzahl angeblicher Zuchtrinder, die offiziell dem Aufbau von Milchviehzuchten dienen. Doch lässt sich dieser Aufbau der Zuchtpopulationen in den bereits jahrelang belieferten Drittstaaten nicht nachweisen. Tatsache ist, dass auch diese vermeintlichen Zuchttiere in der Regel in den dortigen Schlachthäusern landen, sobald sie ihr Kalb auf die Welt gebracht haben und abgemolken wurden. Besonders fatal ist, dass die Tötung in vielen Drittstaaten ohne Betäubung und besonders grausam durchgeführt wird. Zu Recht werden aktuell 17 Nicht-EU-Länder als Hochrisikostaaten für den Tierschutz bewertet.
Millionenfaches Leid stoppen
Durchschnittliche Anzahl der jährlich exportierten Tiere in/aus der EU (2017-2021)
Mio.
Innerhalb der EU
Mio.
Export in Drittstaaten
Forderungen des bmt e.V.
- Verbot von Lebendtiertransporten in Nicht-EU-Staaten
- Verbot von Tiertransporten per Schiff
- Maximale Transportdauer von acht Stunden
- Maximal vier Stunden Transportzeit innerhalb Deutschlands
- Verbot des Transports nicht entwöhnter Jungtiere
- Schlachttiertransporte dürfen nur bis zum nächstgelegenen geeigneten Schlachthof führen
- Auf die Bedürfnisse der Tiere ausgelegte Belegdichten und verbesserte Sicherheitsstandards an Bord
- Einrichtung einer europäischen Zulassungsstelle zur Verschärfung der Zulassungsverfahren und Kontrollen der Transportmittel
- Effektive und nachhaltige Ahndung von Verstößen gegen das Tiertransportrecht
- Einführung einer übergreifenden Datenbank zur Nachverfolgung des gesamten Transports jedes Tieres bis hin zum finalen Zielort
-
Reduzierung der Anzahl der Lebendtiertransporte durch:
- gekühltes Fleisch bzw. Sperma und Eizellen
- deutliche Reduzierung der Tierbestände in der
Landwirtschaft und Abkehr von Export und Überproduktion
- Ausstieg aus der Massentierhaltung
Tiertransporte sind fester Bestandteil des Systems der industriellen Landwirtschaft. Die hohe Spezialisierung impliziert die Transporte der Tiere zwischen den Betrieben, nicht selten über weite Strecken. Wollen wir die Lebensbedingungen der Tiere grundlegend verbessern und Tiertransporte eindämmen, kommen wir nicht umhin, den derzeitigen Strukturwandel der Landwirtschaft umzukehren und endlich den Ausstieg aus der Massentierhaltung zu wagen.
Es darf nicht weiterhin die Fragestellung sein, wie die Bedürfnisse des Tieres in das System passen. Stattdessen sollten wir überlegen, wie ein Tierleben in Würde aussieht und welche Bedürfnisse den Tieren von der Natur gegeben sind. Wir sollten darüber diskutieren, wie ein respektvolles Miteinander aussehen kann und die nötigen Schritte dafür in die Wege leiten. Bis diese notwendige systematische Wende vollzogen ist, müssen kurzfristige Lösungen her, um den Tieren zumindest ein Mindestmaß an Schutz zu gewähren.
