Langstreckentransporte

Der Export von Tierleid

©sp3n/Shutterstock.com

Bei Transporten in Drittländer außerhalb der EU sind die Tiere der Willkür ausgesetzt.

Ein Rindertransport in die Türkei dauerte im Jahr 2017 im Schnitt über 100 Stunden, ein Transport nach Usbekistan sogar mehr als 130 Stunden. Je weiter ein Tiertransport führt, desto mehr verschärft sich die ohnehin brisante Situation für die Tiere mitsamt aller Belastungen und Gefahren. Werden die Tiere in Drittländer transportiert, ergibt sich ein zusätzliches Problem noch größeren Ausmaßes: Sobald ein Transporter die EU-Außengrenzen passiert, sind die Tiere der Willkür ausgesetzt.

Falsche Angaben der Transportunternehmen

Was außerhalb der EU mit den Tieren geschieht, lässt sich oft nur mutmaßen. So offenbarte eine offizielle Bereisung schrottreife Wellblechhallen und ein Verwaltungsgebäude dort, wo Tiere während eines Transports angeblich versorgt werden sollten. Das sogar auf einer der Hauptrouten für Tiertransporte aus den EU in Drittstaaten mit den Zielen Kasachstan, Usbekistan und Süd- und Ostrussland. Die hessische Landestierschutzbeauftragte initiierte diese Bereisung im August 2019, um die Adressen der Versorgungsstationen in den Transportplänen zu überprüfen. Grund waren die allgemeinen Zweifel, die immer wieder an den offiziellen Angaben der Transportunternehmen bestehen.

Zu Recht, wie die Inspektion zeigt: Die wenigen Versorgungsstationen, die auf der Strecke vorgefunden wurden, entsprachen nicht den Vorgaben des EU-Transportrechts und hinter der Region Smolensk existierten schließlich gar keine adäquanten Versorgungsstationen mehr, an denen die Tiere hätten rasten, getränkt und gefüttert werden können.

©paparazzza/Shutterstock.com

Eindeutiges Urteil zu Schutzvorschriften

Dass Transporte ohne adäquate Versorgungsstationen trotz allgemeiner Praxis EU-rechtswidrig sind, bestätigte der Europäische Gerichtshof. Er stellte 2015 in einer Entscheidung klar: Die Schutzvorschriften für Tiere aus der EU gelten auch dann, wenn die Tiere außerhalb der EU, in sogenannte Drittländer, transportiert werden. Das Wohl der Tiere muss bis zum letzten Zielort EU-rechtskonform sichergestellt sein. 

Da diese Sicherstellung in der Praxis nicht durchführbar ist, liegen die exakten Transportbedingungen für durchschnittlich über 210 Millionen aus der EU ausgeführten Tiere pro Jahr im Dunkeln. Dass dennoch allgemein bekannt ist, wie skandalös die Zustände bei Drittlandexporten sind, verdanken wir nicht zuletzt dem Dokumentarmaterial engagierter Investigativ-Journalistinnen und -Journalisten.

Lückenhafte Erfassung von Transporten

Die Hindernisse einer offiziellen Überprüfbarkeit beginnen bereits mit der rein fragmentarischen Erfassung von Lebendtiertransporten, die häufig über mehrere Einzeletappen erfolgen. Eine übergreifende Datenbank, die die gesamte Route eines jeden transportierten Tieres vom Start- bis zum Zielort umfasst, existiert nicht.
©DenysHolovatiuk/Shutterstock.com

Etikettenschwindel Zuchttiere

Fraglich ist auch der Verbleib der vermeintlichen Zuchttiere, die Deutschland jenseits der EU-Grenzen verbringt. Diese bilden offiziell das Gros der deutschen Tiertransporte in Drittländer. Die angeblichen Zuchtrinder sollen dem Aufbau eigenständiger Milchviehzuchten in den Zielländern dienen. Allein 2020 exportierte Deutschland so über 41.000 Rinder, meist trächtige Färsen, in Länder wie Russland, Marokko, Algerien und Ägypten. Doch die Unterscheidung zwischen Schlacht- und Zuchttieren gleicht einem politischen Etikettenschwindel. Zum einen existieren keine Hinweise darauf, dass die zur Zucht deklarierten Tiere auf dem Transport anders behandelt werden als die offiziellen Schlachttiere.

Zudem lässt sich ein Aufbau der Zuchtpopulation in den bereits jahrelang belieferten Drittstaaten nicht nachweisen. Dafür mangelt es auch bereits an den Grundvoraussetzungen: Die Rinderrassen aus Europa sind Hochleistungszuchten, die spezielle Nahrung benötigen. Doch diese energiehaltige Kost wächst im Klima der heißen Drittländer nicht. Folgen einer alternativen Fütterung wären eine geringe Milchleistung, schlechte Fruchtbarkeit und hohe Todesraten. So enden auch diese vermeintlichen Zuchttiere in den Schlachthäusern vor Ort, sobald sie ihr Kalb auf die Welt gebracht haben und abgemolken wurden.

©Jo-Anne McArthur / Eyes On Animals / We Animals Media
©David Fadul/Shutterstock.com

Hochrisikostaaten für den Tierschutz

Die Tötung in den Schlachthäusern vieler Drittstaaten findet ohne Betäubung und mit besonderer Grausamkeit statt. Um die Tiere auf dem Weg zur Schlachtstätte zu kontrollieren, werden ihnen beispielsweise die Augen ausgestochen oder Beinsehnen durchtrennt. Aktuell werden 17 Nicht-EU-Länder als sogenannte Hochrisikostaaten für den Tierschutz bewertet. Dennoch wurden im Jahr 2019 rund 52.400 offiziell zur Zucht bestimmte Rinder aus Deutschland vornehmlich in die Türkei, den Libanon, nach Marokko, Algerien und Ägypten exportiert. Diese Länder weiterhin mit Tieren aus Deutschland zu beliefern, ist schlichtweg nicht verantwortbar – ganz gleich, ob die Tiere als Zucht- oder Schlachttiere deklariert sind. Ein Exportverbot lebender Tiere in diese Staaten ist nicht nur erforderlich, sondern auch rechtlich möglich, wie eine Reihe juristischer Gutachten zeigt.

Schiffstransporte

In viele Drittstaaten werden die Tiere, meist Schafe und Rinder, bevorzugt auf dem Seeweg transportiert. Sind die Bedingungen in europäischen Transportfahrzeugen bereits aus Tierschutzsicht problematisch, existieren bei Schiffstiertransporten keinerlei Standards. Bei dem Großteil der Schiffe handelt es sich um ausgemusterte und umgebaute Autofähren und Frachter, die nicht selten schrottreif sind. Unglücke der Vergangenheit zeigen, dass selbst deren Seetüchtigkeit nicht immer gewährleistet ist.

Tiertransporte auf dem Seeweg sind besonders grausam; an Bord der Transportschiffe existieren keinerlei Standards.

©StockStudio Aerials/Shutterstock.com

70 Tage auf dem Mittelmeer: Die Irrfahrt der Karim Allah

Im Jahr 2021 waren rund 900 Kälber für 70 Tage im Rumpf der Karim Allah eingepfercht. Die Tiere sollten von Spanien in den Libanon verbracht werden. Nach Ausbruch der Blauzungenkrankheit an Bord verweigerten sämtliche Häfen dem Schiff das Anlegen. Nach monatelanger Irrfahrt durch das Mittelmeer legte der Transporter schließlich wieder in Spanien an. Zu dem Zeitpunkt war die Infektion an Bord nicht mehr nachweisbar, jedoch befanden sich alle überlebenden Tiere nach der langen Fahrt in einem so schlechten Zustand, dass das spanische Veterinäramt die Tötung anordnete.

Trotz der medialen Berichterstattung und öffentlichen Empörung wurde weder der kaum noch seetüchtige Frachter aus dem Dienst genommen, noch hat Spanien die Bedingungen für Lebendtransporte verbessert. Die mittlerweile 58 Jahre alte Karim Allah transportiert noch immer Rinder aus Spanien über das Mittelmeer in den Libanon. Die Überfahrt dauert etwa zehn Tage.

Flaggen ohne Schutzstatus

Man muss kein Tierschützer, nicht einmal ein Tierfreund sein, um das, was an Bord solcher Transportschiffe geschieht, als Tierquälerei zu bezeichnen. Bei der Beladung verlassen die Tiere den rechtlichen Schutzraum der EU; die Schiffe fahren in der Regel unter der Flagge von Ländern, mit der während der Überfahrt keine Schutzvorschriften für die Tiere verbunden sind. Da selbst im EU-Recht keine Begrenzung der Transportzeit für Schiffstiertransporte existiert, können die Tiere Wochen oder gar Monate an Bord verbringen, und zwar völlig legal.

Nicht alle geladenen Tiere überleben die Überfahrten, wovon an den Küsten angespülte Kadaver zeugen, die immer wieder für Aufmerksamkeit an von Touristen frequentierten Stränden sorgen. An Bord mangelt es nicht nur an Platz, manchmal auch an Frischluft, wenn die Tiere unter Deck ohne Luken untergebracht sind. Allein eine ausreichende Grundversorgung der bis zu 75.000 Tiere, die das aktuell größte Tiertransportschiff fasst, bleibt mehr als fraglich. Die produzierten Fäkalien werden häufig einfach ins Meer abgeleitet.

©Claudine Van Massenhove/Shutterstock.com

Zehn Fakten über Schiffstransporte

Bis auf wenige Ausnahmen handelt es sich bei Tiertransportschiffen um umgebaute Fähren oder Containerschiffe, die nie für den Transport lebender Tiere konzipiert wurden.
Die in der EU zugelassenen Transportschiffe waren im Schnitt bereits 29 Jahre im Dienst, bevor sie zu für Tiertransporte umgerüstet wurden.
Nur gegen fünf der 78 in der EU zugelassenen Tiertransportschiffe wurde noch kein Auslaufverbot erhängt. Gegen 53 Schiffe dagegen schon mehrfach.
In den Jahren 2019 und 2020 wurden bei Inspektionen rund 2.500 Verstöße durch Tiertransportschiffe in der EU festgestellt.
19 der 21 Tiertransportschiffe mit europäischen Eigner*innen fahren unter der Flagge eines Drittstaates wie Tansania, Sierra Leone oder Togo.
Das Durchschnittsalter aller in der EU zugelassenen Lebendtiertransportschiffe beträgt 41 Jahre. Über 20 Prozent der Schiffe mit EU-Zulassung sind über 50 Jahre alt.
Schiffe für den Güterverkehr werden in der Regel nur etwa 20 Jahre lang genutzt, bevor sie als nicht mehr seetüchtig außer Dienst gestellt werden.
Die meisten Schiffe laufen auch bei Temperaturen über 30 Grad Celsius noch aus. In den Laderäumen der Schiffe herrschen dann weit höhere Temperaturen.
An Bord eines Schiffes gilt das Landesrecht des Staates, unter dessen Flagge es fährt und nur jeder dritte Frachter wurde nach internationalen Standards (IACS) geprüft.
Die Zeit, die die Tiere in den Frachträumen der Schiffe verbringen, unterliegt nach EU-Recht keinerlei Begrenzung, so dass eine Überfahrt Wochen dauern kann, und zwar völlig legal.
Previous slide
Next slide
©winui/Shutterstock.com

Exportverbot dringend nötig

Obwohl die Situation der Tiere an Bord der Transportschiffe und in den Zielhäfen seit drei Jahrzehnten bekannt sind, hat sich die Situation für die Tiere bei diesen Transporten kaum geändert. Wollen wir das Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2015 ernst nehmen, brauchen wir ein Exportverbot von lebenden Tieren in Drittländer. Da Kontrollen außerhalb der EU nicht durchsetzbar sind, bleibt dies der einzige Weg, die Schutzvorschriften der EU für die Tiere über den gesamten Transportweg sicherzustellen, wie es der Gerichtshof fordert.