Langstreckentransporte
Der Export von Tierleid
Bei Transporten in Drittländer außerhalb der EU sind die Tiere der Willkür ausgesetzt.
Falsche Angaben der Transportunternehmen
Was außerhalb der EU mit den Tieren geschieht, lässt sich oft nur mutmaßen. So offenbarte eine offizielle Bereisung schrottreife Wellblechhallen und ein Verwaltungsgebäude dort, wo Tiere während eines Transports angeblich versorgt werden sollten. Das sogar auf einer der Hauptrouten für Tiertransporte aus den EU in Drittstaaten mit den Zielen Kasachstan, Usbekistan und Süd- und Ostrussland. Die hessische Landestierschutzbeauftragte initiierte diese Bereisung im August 2019, um die Adressen der Versorgungsstationen in den Transportplänen zu überprüfen. Grund waren die allgemeinen Zweifel, die immer wieder an den offiziellen Angaben der Transportunternehmen bestehen.
Zu Recht, wie die Inspektion zeigt: Die wenigen Versorgungsstationen, die auf der Strecke vorgefunden wurden, entsprachen nicht den Vorgaben des EU-Transportrechts und hinter der Region Smolensk existierten schließlich gar keine adäquanten Versorgungsstationen mehr, an denen die Tiere hätten rasten, getränkt und gefüttert werden können.
Eindeutiges Urteil zu Schutzvorschriften
Dass Transporte ohne adäquate Versorgungsstationen trotz allgemeiner Praxis EU-rechtswidrig sind, bestätigte der Europäische Gerichtshof. Er stellte 2015 in einer Entscheidung klar: Die Schutzvorschriften für Tiere aus der EU gelten auch dann, wenn die Tiere außerhalb der EU, in sogenannte Drittländer, transportiert werden. Das Wohl der Tiere muss bis zum letzten Zielort EU-rechtskonform sichergestellt sein.
Da diese Sicherstellung in der Praxis nicht durchführbar ist, liegen die exakten Transportbedingungen für durchschnittlich über 210 Millionen aus der EU ausgeführten Tiere pro Jahr im Dunkeln. Dass dennoch allgemein bekannt ist, wie skandalös die Zustände bei Drittlandexporten sind, verdanken wir nicht zuletzt dem Dokumentarmaterial engagierter Investigativ-Journalistinnen und -Journalisten.
Lückenhafte Erfassung von Transporten
Etikettenschwindel Zuchttiere
Fraglich ist auch der Verbleib der vermeintlichen Zuchttiere, die Deutschland jenseits der EU-Grenzen verbringt. Diese bilden offiziell das Gros der deutschen Tiertransporte in Drittländer. Die angeblichen Zuchtrinder sollen dem Aufbau eigenständiger Milchviehzuchten in den Zielländern dienen. Allein 2020 exportierte Deutschland so über 41.000 Rinder, meist trächtige Färsen, in Länder wie Russland, Marokko, Algerien und Ägypten. Doch die Unterscheidung zwischen Schlacht- und Zuchttieren gleicht einem politischen Etikettenschwindel. Zum einen existieren keine Hinweise darauf, dass die zur Zucht deklarierten Tiere auf dem Transport anders behandelt werden als die offiziellen Schlachttiere.
Zudem lässt sich ein Aufbau der Zuchtpopulation in den bereits jahrelang belieferten Drittstaaten nicht nachweisen. Dafür mangelt es auch bereits an den Grundvoraussetzungen: Die Rinderrassen aus Europa sind Hochleistungszuchten, die spezielle Nahrung benötigen. Doch diese energiehaltige Kost wächst im Klima der heißen Drittländer nicht. Folgen einer alternativen Fütterung wären eine geringe Milchleistung, schlechte Fruchtbarkeit und hohe Todesraten. So enden auch diese vermeintlichen Zuchttiere in den Schlachthäusern vor Ort, sobald sie ihr Kalb auf die Welt gebracht haben und abgemolken wurden.
Hochrisikostaaten für den Tierschutz
Schiffstransporte
Tiertransporte auf dem Seeweg sind besonders grausam; an Bord der Transportschiffe existieren keinerlei Standards.
70 Tage auf dem Mittelmeer: Die Irrfahrt der Karim Allah
Im Jahr 2021 waren rund 900 Kälber für 70 Tage im Rumpf der Karim Allah eingepfercht. Die Tiere sollten von Spanien in den Libanon verbracht werden. Nach Ausbruch der Blauzungenkrankheit an Bord verweigerten sämtliche Häfen dem Schiff das Anlegen. Nach monatelanger Irrfahrt durch das Mittelmeer legte der Transporter schließlich wieder in Spanien an. Zu dem Zeitpunkt war die Infektion an Bord nicht mehr nachweisbar, jedoch befanden sich alle überlebenden Tiere nach der langen Fahrt in einem so schlechten Zustand, dass das spanische Veterinäramt die Tötung anordnete.
Flaggen ohne Schutzstatus
Man muss kein Tierschützer, nicht einmal ein Tierfreund sein, um das, was an Bord solcher Transportschiffe geschieht, als Tierquälerei zu bezeichnen. Bei der Beladung verlassen die Tiere den rechtlichen Schutzraum der EU; die Schiffe fahren in der Regel unter der Flagge von Ländern, mit der während der Überfahrt keine Schutzvorschriften für die Tiere verbunden sind. Da selbst im EU-Recht keine Begrenzung der Transportzeit für Schiffstiertransporte existiert, können die Tiere Wochen oder gar Monate an Bord verbringen, und zwar völlig legal.
Nicht alle geladenen Tiere überleben die Überfahrten, wovon an den Küsten angespülte Kadaver zeugen, die immer wieder für Aufmerksamkeit an von Touristen frequentierten Stränden sorgen. An Bord mangelt es nicht nur an Platz, manchmal auch an Frischluft, wenn die Tiere unter Deck ohne Luken untergebracht sind. Allein eine ausreichende Grundversorgung der bis zu 75.000 Tiere, die das aktuell größte Tiertransportschiff fasst, bleibt mehr als fraglich. Die produzierten Fäkalien werden häufig einfach ins Meer abgeleitet.
Zehn Fakten über Schiffstransporte
Bis auf wenige Ausnahmen handelt es sich bei Tiertransportschiffen um umgebaute Fähren oder Containerschiffe, die nie für den Transport lebender Tiere konzipiert wurden.
Die in der EU zugelassenen Transportschiffe waren im Schnitt bereits 29 Jahre im Dienst, bevor sie zu für Tiertransporte umgerüstet wurden.
Nur gegen fünf der 78 in der EU zugelassenen Tiertransportschiffe wurde noch kein Auslaufverbot erhängt. Gegen 53 Schiffe dagegen schon mehrfach.
In den Jahren 2019 und 2020 wurden bei Inspektionen rund 2.500 Verstöße durch Tiertransportschiffe in der EU festgestellt.
19 der 21 Tiertransportschiffe mit europäischen Eigner*innen fahren unter der Flagge eines Drittstaates wie Tansania, Sierra Leone oder Togo.
Das Durchschnittsalter aller in der EU zugelassenen Lebendtiertransportschiffe beträgt 41 Jahre. Über 20 Prozent der Schiffe mit EU-Zulassung sind über 50 Jahre alt.
Schiffe für den Güterverkehr werden in der Regel nur etwa 20 Jahre lang genutzt, bevor sie als nicht mehr seetüchtig außer Dienst gestellt werden.
Die meisten Schiffe laufen auch bei Temperaturen über 30 Grad Celsius noch aus. In den Laderäumen der Schiffe herrschen dann weit höhere Temperaturen.
An Bord eines Schiffes gilt das Landesrecht des Staates, unter dessen Flagge es fährt und nur jeder dritte Frachter wurde nach internationalen Standards (IACS) geprüft.
Die Zeit, die die Tiere in den Frachträumen der Schiffe verbringen, unterliegt nach EU-Recht keinerlei Begrenzung, so dass eine Überfahrt Wochen dauern kann, und zwar völlig legal.
Stand 2021 / Quelle: Animal Welfare Foundation e.V. / Tierschutzbund Zürich